Rudolf Suttner
Mollys
Schöne und interessante Lebendgebärende

Ein hellblau glänzender Farbfleck, der sich mal hier oder mal dort bewegte, zog meinen Blick auf sich. Als sich dieser auf ca 2m näherte, erkannte ich zu wem er gehörte - zu Poecilia latipinna, dem Breitflossenkärpfling. Beim genauen Betrachten war ich von der wunderschönen rot-gold gezeichneten Kopf- und Brustpartie des Männchen überwältigt. Die Farbkombinationen aus himmelblau und rot-gold bestachen. Übertroffen wurde das Farbspiel noch vom Balzverhalten des Männchen. Mit weit gespannter Rückenflosse imponierte es einem Weibchen seines Harem. Es fraß neben ihm, balzte oder versuchte es mit dem Gonopodium zu begatten. In unregelmäßigen Abständen umschwamm es seinen gesamten Weibchenschwarm, der sich aus sechs Tieren zusammensetzte. Es waren prächtige, geschlechtsreife Weibchen, etwa 6 bis 7 cm lang. Die Weibchen hielten sich alle in einem 50 cm Durchmesser umfassenden Bereich auf. Bald entdeckte ich weitere Weibchenschwärme, die jeweils von nur einem Männchen begleitet wurden. Die rot goldenen und himmelblauen Farben des Männchen, die Weibchen nicht aufweisen, signalisieren den anderen Männchen die Anwesenheit eines Alpha-Männchens. Nur 5 m vom ersten Männchen entfernt, entdeckte ich ein geschecktes Männchen, das weder golden noch blau gefärbt war, sondern schwarz-braun-gold gescheckt. Es führte ebenfalls einen Weibchenschwarm und verhielt sich wie die normalen gefärbten Männchen. Hubbs stellte bei Poecilia velifera in den Naturgewässern ebenfalls schwarz gescheckte Exemplare fest.

Breitflossenkärpfling Poecilia latipina


Biotopbeschreibung

Der Bodengrund des Biotops in den Everglades von Florida setzt sich aus abgestorbenen Pflanzenmaterial und Pflanzenwurzeln zusammen. Ludwigia repens wächst in dichten Beständen und im Wasser wachsende Büschen sorgen mit ihrem Blätterdach für eine pflanzenfreie Zone. Das Wasser hatte im August folgende Werte : 30 Grad Celcius, 400 Mikrosiemens, 6 dKH,7,8 Ph. Obwohl es im Nationalpark bei Strafe verboten ist, Pflanzen oder Tiere mitzunehmen, wollte ich von der Schönheit des ersten Männchens überwältigt, ein Paar für mich fangen. Schließlich siegte in mir der Respekt vor dem Naturschutzgedanken. Fünf Jahre nach meiner Fischexkursion verwirklichte ich meinen Wunsch nach einem Besatz mit herrlichen Segelkärpflingen, Poecilia velifera, die ich mir in einer Zoohandlung kaufte.

Vorkommen

Laut Literatur kommt der Breitflossenkärpfling, Poecilia latipinna, an der atlantischen Küste vom südöstlichen Nordcarolinea bis nach Florida und an der Golfküste der USA vor. Außerdem lebt er noch im Süß-Brack- und Salzwasser der Atlantikküste Mexikos. An der Küste der Yucatan Peninsula und der von Mexiko lebt der Segelkärpfling Poecilia velifera. Beide Arten sind äußerlich auf den ersten Blick sehr ähnlich. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der Rückenflossenstrahlen : der Breitflossenkärpfling hat 14 bis 16, der Segelkärpfling 18 bis 19. Ein Autor schloss daraus, das die Arten anhand der Länge der Rückenflossen leicht zu unterscheiden seien : Beim Breitflossenkärpfling reicht die Rückenflosse bis zum Schwanzwurzelanfang, beim Segelkärpfling darüber hinaus. Ein anderer Autor sah in der Fleckenzeichnung der Rückenflosse einen Artunterschied. Beim Breitflossenkärpfling gehen die Flecken über die Rückenflossenstrahlen hinweg, beim Segelkärpfling sind sie genau zwischen den Strahlen angeordnet. Beide Unterscheidungsbeschreibungen scheitern an der Vielzahl der Zuchtformen. Der Handel bietet Gold-, Silber-, Lyra- und gescheckte Mollys an. Der Name Molly bezieht sich auf die Untergattung Mollienesa, die von Le Sueur 1821 aufgestellt wurde.

Wildfangmännchen

Pflege im Aquarium

Aus den geschilderten Naturbeobachtungen lassen sich auch Pflegebedingungen ableiten. In Florida hat ein Männchen meist mehrere Weibchen. Deshalb sollten in ein 120 x 50 x 50 cm grosses Aquarium ein Männchen mit drei bis fünf Weibchen eingesetzt werden. Für die Vergesellschaftung eignen sich alle Fische, denn die Mollys sind gegenüber artfremden Fischen nicht agressiv. Für ein Florida Aquarium bieten sich Sonnenbarsche, zum Beispiel der Blaue Sonnenbarsch, Lepomis macrochirus, aber auch verschiedene Killifische, zum Beispiel der Rotschwanzkärpfling, Lucania goodei, an. Am liebsten fressen die Mollys Trockenfutter mit hohem Pflanzenanteil. Mit ihrem Schabemaul nehmen sie in der Heimat Algen und Aufwuchs (Periphyton) auf. Häufig sieht man sie in der Natur auch Nahrung von der Wasseroberfläche absaugen. Die Wassertemperatur sollte auf keinen Fall unter 23 Grad Celcius sinken.. Mollys fühlen sich sonst unwohl und beginnen dies mit Schaukelbewegungen zu signalisieren. Verschiedene Autoren berichten von Massensterben im Winter, wenn die Temperaturen in den Lagunen sinken. Die Populationen erholen sich jedoch im folgenden Sommer rasch wieder. Auf eine Salzzugabe kann verzichtet werden, das Wasser sollte aber mindestens mittelhart sein. In den Heimatbiotopen der Mollys wachsen Ludwigia repens, Bacopa carolinea, Hydrocotyle americana, verschiedene Sagittarien und Nixkraut.

Silberfarbene Zuchtform


Kräftemessen

Ein Fehler wäre es, weitere Männchen ins Becken zu setzen, da sie miteinander um die Weibchen kämpfen würden. Bei gleich großen Tieren beginnt das Kräftemessen mit einem imposanten Spiel mit weit gespannten Rückenflossen. Die Kontrahenten schwimmen in Kopf-an-Schwanzstellung in einer Kreisbewegung. Kommt es nach diesem Größenvergleich zu keiner Entscheidung, beginnen die Männchen sich mit den Schwanzflossen Wassersalven entgegen zu schleudern - erst der eine, dann der andere. Ein Zerbeißen und Zerfetzen der Rückenflossen konnte ich bei meinen Männchen nicht feststellen. In der Natur würde das unterlegene Tier das Weite suchen. Im begrenzten Aquarium ist es den dauernden Attacken des Siegers ausgesetzt. Unterlegene Männchen signalisieren ihre Niederlage durch eine Schrägstellung. Der Kopf weist nach oben, die Schwanzflosse nach unten. Die Flossenpracht wird dabei zusammengelegt. Trotz dieser Demutsgebärde überlebt ein unterlegenes Männchen in kleinen Aquarien die Attacken und den Dauerstress kaum. Dominante Männchen färben sich im Kopf-und Brustbereich golden. Für andere Männchen ist dies ein innerartliches Zeichen, dass sie es mit einem starken Gegner zu tun haben. Der Goldmolly, eine Züchtung weist im männlichen Geschlecht dieses Stärkezeichen außergewöhnlich gut auf. Alle Gold-Molly-Männchen haben diese Färbung. Setzt man eines dieser Männchen zu einem normal gefärbten, so reagiert dieser eine Zeitlang normal, indem es fernbleibt. Der goldene Kopf-Brustbereich ist der Schlüsselreiz für dieses Verhalten. Nach einer gewissen Zeit stellt das normale Männchen, wenn es gleich an Körpergröße ist das Gold-Molly-Männchen zum Zweikampf. Verliert das Gold-Molly-Männchen, wird es wegen des goldenen Kopfbereiches erbarmungslos bekämpft. Das normale Männchen färbt sich golden um. Einen anderen Verlauf nimmt das Verhalten, wenn man ein kleines silbernes Molly-Männchen mit einem größeren gescheckten Männchen zusammensetzt. Das silberne Männchen hat keine Möglichkeiten, sich umzufärben und wird von anderen Männchen als Weibchen eingestuft. Es wird  sogar mit afgestellter Rückenflosse umworben, obwohl es auch hinter Weibchen her ist. Dabei vermeidet es tunlichst die Rückenflosse aufgestellt zu präsentieren - es würde sich als Männchen verraten. Einmal als Männchen erkannt, muss es sich der Auseinandersetzung stellen, die im Kräftevergleich bald negativ entschieden ist. Den größten innerartlichen "Sprachfrevel" betreiben schwarze mollys mit kurzer Rückenflosse (einkreuzung mit Poecilia sphenops). Starke Männchen nehmen weder die Goldfärbung, noch auf die Größe der Rückenflosse Rücksicht. Sie schlagen mit Bissen zu und vertreiben jeden Gegner. Auffallend ist die Gattentreue der Weibchen. Beobachtet habe ich das ein Paar gemeinsam durchs Becken schwamm oder sich nach einer Trennung suchten. Nach einem Austausch des Männchen durch ein schwarz geschecktes, goldenes oder silbernes floh es permanent vor diesen weg. Bei Begattungsversuchen stellte es sich immer schräg mit dem Kopf nach unten, um dies zu vereiteln.

Gold Molly


Vermehrung

Die Weibchen haben eine Tragezeit von ca fünf Wochen, die aber von der Temperatur abhängig ist. Die Jungen messen nach der Geburt von der Schnauzenspitze bis zum Schwanzflossenende 11 mm. Der 2.te Wurf des abgebildeten Weibchens ergab 52 Jungfische. Ältere Weibchen sollen über 100 Jungfische gebären. Meine kleinen Mollys nahmen nach dem Freischwimmen sofort feingeriebenes Trockenfutter an. Nach 2 Wochen hatten die Jungfische ihre Größe verdoppelt. Sie verlangten ein mehrmaliges Füttern am Tag. In einem großen Aufzuchtbecken schwimmen sie anfangs im Schwarm, mit zunehmender Sicherheit gehen sie auch einzeln auf Futtersuche. Bei Gefahr oder plötzlichen Veränderungen suchen sie wieder die Nähe eines Schwarms. In Florida entdeckte ich in einer Restwasserpfütze einer vorher überschwemmten Wiese tausende Jungfische von Gambusen und Breitbandkärpflingen, wie sie auf dem Boden und von der Wasseroberfläche Futter aufnahmen. Mollys sind für mich wunderschöne Aquarienfische, die sehr viel Interessantes zeigen und bei richtiger Haltung keine Probleme machen !

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aus „Das Aquarium“ 10/2000 Seite 22
Mit freundlicher Genehmigung des SCHMETTKAMP Verlags.

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