Der Grasfrosch

Die Metamorphose von Rana temporaria und ein Weg zur Überlebenshilfe

Text und Fotos: Walther Rohdich

Bevor ich mitteile, welche Methode wir zur Überlebenshilfe bei Rana temporaria angewandt haben, ist es wohl angebracht, den Werdegang dieses einheimischen Frosches von der Eiablage bis zum Ausstieg aus dem Wasser, also seine Metamorphose, kurz darzustellen.

Wenn unser Grasfrosch, Rana temporaria, im März oder April in den Tiefen seines nassen Winterquartiers erwacht und nach oben, wo vielleicht noch leichtes Eis das Wasser bedeckt, steigt, um seine Fortpflanzungstätigkeit zu beginnen, nimmt eine der erstaunlichsten Verwandlungen in unserer Natur ihren Anfang. Schon bald nach dem Auftauchen, noch abgemagert und ohne Appetit, finden sich die Grasfrösche zur Paarung, oft in Gesellschaft mit Erdkröten, Bufo bufo, und mit diesen durcheinander zu einem munteren Paarungsgeplantsche zusammen, bei dem es zwar nicht lautlos, aber doch wesentlich leiser zugeht als beim Wasserfrosch, Rana esculenta. Die Männchen knurren und murren verhalten und doch laut genug, um die Weibchen in die meist flachen Uferpartien des Gewässers zu locken. Dort packen die Männchen herzhaft und reflexartig zu, indem sie den Weibchen auf den Rücken hüpfen und sie mit den Vorderbeinen fest umklammern. Wer hat, der hat und ist derjenige, der die vom Weibchen ausgestoßenen Laichballen, die bis 5.000 Eier enthalten können, befruchten darf. Damit ist das Wichtigste erledigt, eine Brutpflege gibt es nicht.

Die Metamorphose von Rana temporaria

Je nach Wassertemperatur dauert es zehn bis 15 Tage, bis sich aus den kleinen schwarzen Eiern, die in der gallertartigen Masse zu sehen sind, winzige längliche Wesen entwickelt haben, die anfangen zu strampeln und sich zu befreien versuchen. Nach wenigen weiteren Tagen sind sie frei und schwimmen und paddeln im Wasser umher, schon nehmen sie Form an und der Kopf bildet sich heraus: Kaulquappen sind entstanden.

frosch1.jpg (79478 Byte)

Der wenige Stunden alte Froschlaich ist noch in festen Ballen zusammengeklebt.
Ein Weibchen des Grasfrosches kann bis zu 5000 Eier legen.

frosch2.jpg (54193 Byte)

Der Laich ist fünf Tage alt. Schon ist das Heranwachsen der jungen Kaulquappen zu erkennen.

 

 

frosch3.jpg (78186 Byte)

Diese erwachsene Kaulquappe ist nun drei Monate alt.

frosch4.jpg (50993 Byte)

Zuerst wachsen die Hinterbeine, denen ...

frosch5.jpg (57407 Byte)

... nach wenigen Tagen die Vorderbeine folgen. Der Schwanz bildet sich zurück.

In den nächsten drei Monaten, bis in den Juni hinein, heißt es: wachsen und größer werden. Unter mannigfachen Gefahren natürlich, denn Kaulquappen sind fressbar und munden allerlei Hungrigen: Gelbrandkäfern, Libellenlarven, Fischen, Eisvögeln und auch großen Geflügelten wie Graureihern und Störchen. Außerdem droht das ganze Frühjahr über die Gefahr des Austrocknens des Teiches, Sees, Grabens oder Baches, wobei die komplette Population untergehen kann. So hat es die Natur wohl vorgesehen, als sie es den Weibchen ermöglichte, eine so enorme Menge Eier abzulegen. Nach der angegebenen Zeit, in der die Kaulquappen sich von Algenbelag, Sinkstoffen und toten Kollegen ernähren, sehen sie noch gar nicht nach Fröschen aus, doch dann geht's los: Zuerst wachsen die Hinterbeinchen, dann die Vorderbeine, der lange, vertikal abgeplattete Schwanz bildet sich zurück und aus Kiemenatmern werden Lungenatmer - damit ist das Nurim-Wasser-leben beendet und die Jungtiere müssen an Land steigen. Sie sind nun dunkle, zarte, beinahe durchscheinende, knapp 1 cm messende Geschöpfe mit winzigen Beinen und krabbeln und hüpfen in Minisprüngen vom Geburtsgewässer fort. Aber erst auf dem Land er-warten sie die größten Gefahren, und zwar heutzutage nicht nur durch Fressfeinde, sondern auch durch den menschlichen Verkehr: Millionen Jungfrösche werden totgefahren und -getreten, wenn das Gewässer an unseren Straßen und Wegen liegt -das ist leider zu oft der Fall. Bevor die Jungfrösche im Herbst zum ersten Winterschlaf auf den Grund des Wassers hinabtauchen, sind sie um das DopIte bis Dreifache gewachsen und haben dann ihre endgültige Färbung angenommen.

Was hat dieses nun mit dem Gartenteich zu tun? Das ist eben unsere Geschichte!

Eine Methode zur Überlebenshilfe

Zwei Jahre lang beobachteten wir, dass sich die Grasfrösche zwar zum Ablaichen an unseren Gartenteich heranmachten, dieses auch taten, aber bevor die Kaulquappen sich verwandeln konnten, waren sie alle tot -aufgefressen von kleinen Räubern wie Libellenlarven und Gelbrandkäfern, die mit ihnen ja den Lebensraum teilen. So fassten wir im dritten Jahr den Mut, gegen Naturschutzgesetze zu verstoßen, um die Nachkommenschaft des Grasfrosches zu retten. Wir fischten den größten Teil der Quappen aus dem Teich und setzten sie in ein Aquarium, dessen Wasser stets kühl genug gehalten und ein wenig mit Sauerstoff versehen wurde.

frosch6.jpg (79500 Byte)

Der junge Frosch, der sich vom Kiemenatmer zum Lungenatmer gewandelt hat,
steigt nun an Land und sucht später das Wasser nur noch zur Fortpflanzung auf.

Ein paar heimische Wasserpflanzen und Stöcke aus Altholz sorgten für eine natürliche Umgebung. So wuchsen die Kaulquappen verlustfrei heran und konnten als kleine Frösche über ein Brett aus dem Wasser aufs Land steigen. Mindestens so viele wie sonst in der freien Natur scheinen durchgekommen zu sein. Jungfrösche und jungkröten haben ja normalerweise sehr hohe Verluste. Einige der erwachsenen Grasfrösche sind im Garten geblieben, andere sind in die Nachbarschaft abgewandert - da scheint sich die ganze Arbeit ja gelohnt zu haben.

aus " Das Aquarium" 4/01 Seite 69 ff.
Mit freundlicher Genehmigung des Schmettkamp Verlags.

zurück zur Schmökerecke

 

© copyright MR 2002
Impressum